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Sogar mit mehrfach geprüften legalen Dokumenten ist unsereiner

immer ein wenig nervös an osteuropäischen Grenzen. Vielleicht

irgendwie ein Kindheitstrauma aufgrund des DDR-Grenzer-Ver-

haltens, wenn man als kleiner Steppke nach Berlin gezerrt wurde.

Irgendwie dachte man immer, der Lieblingsteddy würde einem

entrissen, konfisziert oder angesteckt.

Mit einem vergleichbaren Gefühl kam ich also zur moldawisch-

rumänischen Grenze. Wie an bisher jeder Grenze, ein endloser

Stau von Lastwagen, inklusive betrunkener Fahrer. Soweit alles

normal und beruhigend. Dieser laxe Umgang der Grenzer mit

dem augenscheinlichen Promillegehalt der Fahrer ließ schon mal

auf einen ebenso entspannten Umgang mit kleineren Ordnungs-

widrigkeiten schließen. Ich traute mich also an der LKW-Schlange

vorbei und rollte, verkrampft cooler Gesichtsausdruck, auf die

GRENZBEAMTIN zu. Irgendwie gab mir das Hoffnung: Eine Frau!

Allerdings barg diese Tatsache aber auch eine gewisse Gefahr. Es

gibt zwar den mütterlichen Beamtinnen-Typus, der einen verunsi-

cherten, trotteligen Deutschen angesichts seines zu vernachlässi-

genden Missgeschicks durchwinken würde. Es gab aber auch den

SEHR strengen Typus, die sich in der männlichen Hackordnung

durchsetzen möchte, in dem sie noch bissiger ist als der bissigste

Kollege. Meine Grenzbeamtin war diesbezüglich schwer einzu-

schätzen.

Sie verlangte nach meinen Pass, kein Lächeln, kein Garnix. Mist,

anscheinend Typ B. Sie warf einen Blick in den Ausweis und

verschwand in einem Verwaltungsgebäude mit gestapomäßiger

Architektur. Ruhig bleiben jetzt. Der Pass war in Ordnung und

nicht durch den Farbkopierer gezogen, so dass mir während ihrer

Abwesenheit eigentlich nichts passieren konnte.

Meine Sorge war aber, dass ihre Kollegen während ihrer Abwe-

senheit aus schierer Langweile und Schikane mal einen Blick auf

die etwas blasse Farbkopie meines Nummernschilds werfen könn-

ten, um dann gleich NATO-Alarm aus zu lösen. Es passierte aber

erst mal – nix. Die rumänischen Grenzer waren wohl mit ihrer

Schwarzgeldkasse beschäftigt. Sie würdigten mich und meinem

Nummernschild keines Blickes.

Kurz durchzuckte es mich, ob es wohl ein kluger Schachzug wäre,

meine Gepäckrolle ab zu nehmen, darin schauspielerisch geschickt

etwas zu suchen und mich dann vor das Nummernschild zu

stellen. Aber, man lernt das ja aus diesen RTL 2-Dokus, je selbst-

verständlicher man den Beschiss durchzieht, desto unwahrschein-

licher die Entdeckung.

Meine Grenz-Dame kam zurück und warf, wie an den Grenzen

üblich, einen Blick auf mein Nummernschild. Starke Beanspru-

chung meines Herz-Kreislaufsystems!

Sie sagte etwas und meine Sonnenbrille, die ich aus Coolheits-

gründen wieder aufgesetzt hatte, um Normalität zu suggerieren,

beschlug angesichts meiner Hitzewallung.

ein paar Tage Zeit gekostet, so dass ich nunmehr

die direkte Linie durch Rumänien wählen mußte,

um vereinbarungsgemäß die beste aller Frauen im

bulgarischen Warna zu treffen. Hübsche Damen

lässt man nicht warten. Zumal Sie mich in den letz-

ten Tagen quasi telefonseelsorgerisch begleitet hat

bei meiner zwischenzeitlichen Verlorenheit in dem

kleinen Land namens Moldawien.

Die ungeklärte Frage allerdings war: Werde ich mit

meinem gefälschten Nummernschild (auch wenn

ich eine Farbkopie nicht unbedingt als Fälschung

bezeichnen würde) in der Lage sein, die Grenze zu

Rumänien zu überqueren?

Mangels Alternativen machte ich mich dran, genau

dies aus zu probieren. Schließlich wäre es meine

einzige Alternative gewesen, die getreue BMW in

der Steppe zurück zu lassen und mich mit einem

der seltenen Flieger auf den Weg zu machen. Dann

lieber verhaftet werden. Also machte ich mich mit

mulmigem Gefühl auf den Weg zur rumänischen

Grenze.

Würde ich jetzt zu Hause im warmen Sessel sitzen

und diese Story hier lesen, würde ich denken: Soll

er sich mal nicht so einnässen der Kollege da. Was

soll schon passieren an einer europäischen Grenze?

Schließlich ist sein Moped doch akkurat versichert,

er hat einen Schrieb der deutschen Botschaft in der

Tasche und ist tatsächlich der Besitzer der Karre.

Die Sache mit dem kopierten Nummernschild wird

sich schon irgendwie klären lassen an der Grenze.

Dahinten (also in Osteuropa) werden doch an-

dauernd so halblegale Sachen gemacht, würde ich

denken. Zur Not soll er halt den Zöllner bestechen,

würde ich denken. Wo ist das Problem? Ziemlich

genau sowas würde mir durch den Kopf gehen,

wenn ich nur davon lesen würde.

Wenn man aber tatsächlich auf der Karre sitzt und

sich circa 40 km weit Gedanken machen kann,

was denn WIRKLICH so passieren könne, wenn sie

(also die Grenzer) entdecken, dass man (also ich)

mit einer Farbkopie nach Rumänien möchte, dann

sieht die Sache schon anders aus. Je näher ich der

Grenze kam, desto häufiger verirrte sich das Wort

„Gulag“ in meinem Gedankengang. „Rumänische

Grenzpolizei erhält Friedensnobelpreis“ habe ich

noch nie irgendwo gelesen. Der rumänische Polizist

wird in den westlichen Medien eher selten wegen

seiner Humanität erwähnt. Er macht auch physi-

ognomisch einen eher unentspannten Eindruck.

MOTORRADLEBEN