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zu rabiateren Mitteln greifen könne, wenn mir

irgendwas nicht passen würde. Mal ganz davon

abgesehen, dass er mich auch nach der Zahlung

von einem circa 200-fachen des Fahrpreises nicht

auf die Fähre lassen müsse und ich mich dann mit

seinen „Cousins“ unterhalten könne. Feige stellte

ich meinen Protest ein. Angesichts meiner sehr

guten Erfahrungen während meiner gesamten

Tour wirklich eine Bagatelle und Ausnahme an

Unfreundlichkeit und Abzocke. Ich erwähne diese

kleine Episode nur, da sich jeder von uns bewußt

sein sollte, dass er bei seinem Umgang mit dem

Fremden nicht nur sich selbst vertritt, sondern auch

seine Kultur und sein Land. Eine Person kann eine

ganze Nation diskreditieren. Auf meiner Rücktour

nach Deutschland jedenfalls habe ich Rumänien

umfahren, auch wenn dies einen Umweg von 200

km bedeutete.

Wie gesagt, das Glück ist ein scheues Reh.

Den regelmäßigen Lesern meiner kleinen Fortset-

zungsschreibe wird eventuell noch gewahr sein,

dass mir auf dieser Odyssee bereits einmal mein

Handy verloren gegangen ist.

Eine nette moldawische Hotelangestellte hat mich

dann in Chisinau nach ihrer Nachtschicht  an der

Rezeption noch in die Stadt begleitet, um mir beim

Kauf eines Billighandys behilflich zu sein, damit ich

für die Lieben daheim wieder erreichbar bin. Ein

Gefühl, dessen Wichtigkeit für den Reisenden und

die Daheimgebliebenen, das auf einer einsamen

Reise nicht unterschätzt werden darf. Ich war also

sehr erfreut, via Handy wieder Kontakt zur Heimat-

welt aufnehmen zu können.

Leider hat mir niemand gesagt, dass eine moldawi-

sche Simkarte nur in Moldawien funktioniert.

Mit dem Grenzübertritt konnte ich niemanden

mehr erreichen und auch nicht erreicht wer-

den. Hätte der rumänische Ticketverkäufer seine

Drohung wahr gemacht und mit seinen ebenso

breitschultrigen Cousins mir eine Lektion erteilt,

Des Rumänischen nicht mächtig, habe ich ihren Befehlston

dahingehend gedeutet, dass meine dilettantische Dokumenten-

fälschung aufgeflogen ist. Das Blau der Nummernschildkopie war

schließlich zu hell, der Stempel nicht rund. Das Blech war kein

Blech, sondern Papier. Die Buchstaben waren nicht ausgestanzt.

Einem deutschen Grenzer im ersten Lehrjahr wäre der Betrugs-

versuch aufgefallen. Meine, nebenbei bemerkt ziemlich hübsche,

Grenzbeamtin war aber wohl noch im Praktikum. Mangelndes

Fachwissen ob der Beschaffenheit und des Aussehens deutscher

Motorradnummernschilder kompensierte sie mit martialischen

Tonfall. Ihre Anweisung bedeutete aber nicht: Absteigen, ver-

haften lassen, anfangen zu weinen. Sondern „Verlassen Sie das

Grenzgelände“. Ich konnte zwar immer noch kein Rumänisch,

aber ihre Handbewegung ließ keine andere Deutung zu. In einem

miesen Film wäre jetzt meine 25 Jahre alte BMW trotz mehrma-

liger Startversuche und AUSGERECHNET JETZT nicht angesprun-

gen. In der Realität tat sie dies aber problemlos, und ich verließ

gemächlichen Tempos die Stätte der Gefahr.

Erleichtert und glücklich wie Mario Götze in der 114 Minute.

Mit dem Glück ist das ja so eine Sache. Es ist ein scheues Reh.

Auf meiner ganzen fantastischen Tour, ich hoffe ich habe das

nicht schon mehr als zuviel betont, war ich von der Gastfreund-

schaft, dem Interesse, der Hilfsbereitschaft der Osteuropäer

überwältigt. Ich wurde zu Hochzeiten eingeladen, mir wurde Geld

geschenkt, es wurde eine kostenlose Sightseeing-Tour angeboten,

mir alte Frontverläufe in unbekannter Sprache erläutert (Kymco-

Django, siehe Teil III), ein 70 km Umweg in Kauf genommen, um

mir den richtigen Weg zu weisen, man ging mit mir in den nächs-

ten Telefonladen, um mir behilflich zu sein und vieles dergleichen

mehr. Eine Flut von Fürsorge.

Und niemals, niemals wollte irgendeiner meiner kleinen Helfer ein

Trinkgeld annehmen, mit dem ich ihn für seine Hilfsbereitschaft

entlohnen wollte. Im Gegenteil, mein Angebot einer Entlohnung

wurde nahezu als Beleidigung aufgefasst. Immer und überall habe

ich gute Erfahrungen gemacht, nur kurz nach der glücklichen

Grenzüberschreitung hier in Rumänien nicht. Es war nur eine

Kleinigkeit: Ich mußte per Fähre einen Fluss überqueren und hatte

kein rumänisches Geld. Ich bezahlte mit

20,-, die der Kassierer

entspannt einsteckte mit der Begründung, er habe kein Wech-

selgeld. Eine augenscheinliche Lüge, da ich zu mindestens 100

barzahlenden Passagieren dieses Dampfers gehörte. Angesichts

meines Protests machte er mir dann sehr deutlich, dass er auch

Eine Seefahrt ist nicht lustig, eine

Seefahrt ist nicht schön. Rumäni-

scher Preisaufschlag von 2000%.

Die einzige Negativerfahrung auf

einem großartigen Trip.

Kontrastprogramm.

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