Die Sonne steht schon tief über den Dächern, als
wir Kubas angeblich schönsten Platz, den Plaza
Mayor, erreichen. Der goldene Glanz der Abend-
dämmerung liegt bereits über dem von hohen,
schlanken Palmen eingerahmten Platz mit seinen
bronzenen Windhund-Statuen, üppigen Blumen-
beeten und aufwendig verzierten, übergroßen Va-
sen. Auf einer der weißen Metallbänke mit Wein-
rebenmuster sitzt ein älterer Kubaner, Skizzenblock
und Bleistift in der Hand. Der Künstler beobachtet
gerade einen der unzähligen Straßenhunde, der
sich auf den von der Sonne aufgewärmten Steinen
des Platzes niedergelassen hat und vor sich hin
döst. Fasziniert folgen wir seinem flink über das
Papier fliegenden Stift, der den kleinen, zerzausten
Straßenhund im Handumdrehen auf seinem Block
einfängt.
Es ist bereits spät, als wir zurück zu unserer Unter-
kunft laufen, doch die engen, mit grobem, unre-
gelmäßigen Kopfsteinpflaster ausgelegten Gassen
sind noch immer hell erleuchtet. Die schweren
Holztüren der kleinen Bars, Souvenirläden und
Galerien stehen weit geöffnet und heißen die
angenehm kühle Abendluft willkommen, während
aus vielen der Lokale rhythmische, afrokubanische
Klänge ertönen.
Wir erkunden die Insel abseits ausgetretener Tou-
ristenpfade.
Am nächsten Tag machen wir uns auf, eine weit
abseits der touristischen Pfade gelegene Strecke
entlang der Südküste zu erkunden.
Wir folgen einem holperigen, einspurigen Weg
durch dichten Mangrovendschungel, der nur weni-
ge Meter von der Küste entfernt gen Westen führt.
Die heiße, feuchtwarme Luft und der abschnitts-
weise durchaus anspruchsvolle Track treiben uns
Schweißperlen auf die Stirn und so freuen wir uns
umso mehr, als wir am frühen Abend einen traum-
haft gelegenen Platz zum wild campen finden. Der
Platz ist direkt an der rauen Steinküste gelegen
und bietet einen fantastischen Blick über das Meer,
während er von der anderen Seite von dichtem
Mangrovendschungel eingerahmt wird.
Das konstante Rauschen des Meeres und die
dumpfen Schläge der Brandung, die unermüd-
lich gegen das scharfkantige Ufergestein schlägt,
wiegen uns schnell in den Schlaf. Wir verbringen
eine ruhige Nacht, doch bereits früh am nächsten
Riffe der Welt, um uns auf die Suche nach Nemo und seinen
leuchtend bunten Freunden zu machen.
Nach einigen Tagen Sonne und Strand zieht es uns aber wieder
zurück ins Getümmel. In Camagüey, einer rund 300.000 Ein-
wohner zählenden Stadt in Zentralkuba, wollen wir den größten
Bauernmarkt des Landes besuchen. Der direkt an den Ufern des
Río Hatibonico gelegene Markt soll nicht nur der größte, sondern
auch der bestbestückte Markt des Landes sein.
Doch unsere Euphorie wird schnell gedämpft, denn der Großteil
der betonierten Verkaufsflächen, die sich rund um die kleinen
Stände erstrecken, sind leer.
Die Auswahl an Obst und Gemüse ist spärlich. Getrocknete
Hülsenfrüchte, Kartoffeln sowie Zwiebel- und Knoblauchknollen
dominieren das ohnehin mehr als überschaubare Angebot.
Hier machen sich die jahrzehntelangen Handelsembargos und die
anhaltende Mangelwirtschaft besonders bemerkbar.
Dennoch hat sich der Besuch auf dem Bauernmarkt für uns
gelohnt, denn die fast schon prähistorisch anmutenden Waagen,
mit denen noch heute die Waren abgewogen werden, bevor sie
mit für uns fast schon historisch anmutenden Lieferwagen – einer
davon ein Ford aus dem Jahr 1928! – abtransportiert werden, sind
absolut sehenswert.
Wir werden mitgerissen von den karibischen Rhythmen und un-
glaublichen Stimmen der jungen Musiker.
Während wir durch die Straßen und Gassen Camagüeys schlen-
dern, deren Häuserfassaden nur so vor kolonialem Charme sprü-
hen, kommen wir zufällig an einem kleinen Park vorbei, in dem
eine Schülerband einen Auftritt hat.
Sofort sind wir gefangen von den karibischen Rhythmen und den
unglaublich tollen Stimmen der beiden jungen Sänger. Neben uns
haben sich auch einige Dutzend Kubaner vor der kleinen, proviso-
rischen Bühne versammelt, die im Takt der Melodien mitschwin-
gen und die Band immer wieder mit rhythmischem Klatschen
unterstützen.
Über eine Stunde lauschen wir der Musik und beobachten die
Einheimischen, die nur so sprühen vor offener Lebensfreude,
während sie ungehemmt tanzen, klatschen und sich der Musik
und dem Gesang hingeben.
So ein Stadtbummel macht ganz schön hungrig und so gönnen
wir uns an einem der unzähligen fahrenden Stände einen kleinen
Imbiss und einen Kaffee. Während wir uns im Schatten an eine
Hauswand gelehnt stärken, beobachten wir das bunte Treiben
und das Gewirr aus Händlern, Touristen und Schulkindern in ihren
blitzblanken Uniformen, die durch die Gassen strömen.
Von Camagüey führt uns unsere weitere Reise in die kleine
Kolonialstadt Trinidad, die dank ihrer gut erhaltenen Kirchen und
Prunkbauten zu einer der schönsten Städte der Insel zählt.