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Prolog: „I love the himalayan wind in my face“.

Eine Reise auf das Dach der Welt und zu sich selbst.

Das Sonntags-Tagebuch der DANE TROPHY Transhimalaya 2016. Prolog.

Der zweite Teilnehmer gibt auf!

Es reicht!

Das Hotelzimmer ist abgeschlossen.

Gerüchteweise gibt es neben seinem gebrochenen Willen noch einen gebrochen Helm, den er durch die Einrichtung gepfeffert haben soll. Glücklicherweise ist die indische Zimmer so spartanisch eingerichtet, dass keine weiteren Kollataralschäden zu befürchten sind. Und selbst wenn, würde man diese angesichts des Gesamtzustands der Einrichtung ohnehin nur mit einiger Mühe bemerken. Kris, sein Zimmerkollege, bittet um Asyl bei uns, bis sich die Situation in Raum 209, der in der indischen Logik auf der 3. Etage ist, annähernd beruhigt hat. Eine heiße Dusche würde allen Beteiligten gut tun, aber die gibt es leider nicht.

Denn im Badezimmer steht lediglich ein Bottich mit einer kleinen Kanne. Vermeintlich der Duschen-Ersatz. Es ist allerdings nicht ganz klar, ob dieser Becher zum Duschen oder für die Reinigung nach dem Stuhlgang gedacht ist. Die allgemeine Verunsicherung steigert sich noch, weil das Badezimmer von AUßEN abschließbar ist. Die Nachfrage beim Herbergs-Personal, was dieses Schloss für eine Funktion haben könnte, sorgt für einen irritierten Blick, da anscheinend in den vergangenen 17 Jahren der Betriebszugehörigkeit dies weder gefragt noch jemals drüber nachgedacht wurde. Konsequenterweise lautet die Antwort, das Außen-Schloss sei eine Entscheidung des Managements. Kann ja mal sein, dass man irgendwas im Bad einschließen muss. Solange es keine Gäste sind.

Wir sind am Ende eines Ritts von 130 km. Dem härtesten Ritt des Jahres. Eine Strecke von 130 km kann man in unserer norddeutschen Tiefebene mit zugegebenrmaßen sehr guten Willen des nachts in etwas mehr als 30min fahren. Wir haben heute 9 Stunden benötigt.

Wir haben ungefähr Halbzeit bei unserem Versuch das Dach der Welt zu erreichen. Den KhardungLa, den mit über 5600m höchsten befahrbaren Pass der Welt.

Wir sind zum vierten Mal mit der DANE TROPHY im Himalaya. Wir sind erstmals im Spiti Valley. Und wir sind im schönsten Absurdistan der Welt.

Der Verkehr ist ohne zunächst erkennbare Regeln, die Hupe der beliebteste Gegenstand des Landes. Die Hotels haben auf der internationalen Skala bisweilen null Punkte, Esel und Yaks kreuzen die Fahrbahn, Kühe nutzen sie als Schlafstätte. Wir sind im Schlamm stecken geblieben, haben Erdrutsche nur knapp verpasst, beim Brückenbau geholfen, bei Flußdurchfahrten Suzuki Swifts passieren müssen, die Streckenplanung mehrfach geändert, irrsinnige Truckfahrer erlebt, befürchten die Höhenkrankheit, kämpfen gegen Müdigkeit, platte Reifen sowie verlorene Anbauteile und die Natur hat uns heute gezeigt, wer hier das Sagen hat.

Nicht nur unser zweiter Teilnehmer (siehe oben) wurde heute an seine Belastungsgrenze geführt.

Insgesamt jedoch sind wir eine 27-Mann starke, großartigen Truppe am großartigsten Platz der Welt.

ALLE können Motorrad fahren. Und HIER kann man Motorrad fahren. Die Landschaft ist überwältigend, die Menschen hilfsbereit, freundlich und gut gelaunt. Das Organisationsteam genauso unglaublich wie die anscheinend unverwüstlichen Royal Enfields. Die Unterkünfte sind nach indischem Maßstab komfortabel, wenn man nicht gerade so einen Hardcore-Tag hatte, wie es der heutige war, an dem sich eine Whirlpool mit heißem Wasser wünscht und einen Meßbecher mit kaltem bekommt.

Wir freuen uns auf jeden weiteren Kilometer in diesem Cinemascope Land. Zumindest, wenn wir heute noch ein Kingfisher Bier bekämen und eine Mütze voll Schlaf.

Schon immer lag für mich der Reiz einer Motorradreise in seiner Unmittelbarkeit. Man ist der Umgebung ungeschützt ausgeliefert und diese Unmittelbarkeit sorgt dafür, dass man manchmal euphorisiert ist von den gewonnenen Eindrücken und sich wenige Stunden später fragt, was man denn hier eigentlich mache.

Denn die Umgebung ist menschenfeindlicher als irgendwo sonst und es interessiert sie sehr wenig, ob ein paar kleine Menschenkinder von A nach B gelangen wollen.

Im Himalaya ist diese Stimmungsamplitude wesentlich extremer.

Wie alles in diesem faszinierenden, verrückten, bunten, grauen, vielfältigen, fantastischen, überraschenden, irrsinnigen Land.

Zum vierten Mal sind wir nun unterwegs mit der DANE Trophy Transhimalaya. Und das einzig Erwartbare ist das man das Unerwartere erwarten muss. Und zwar hinter JEDER Kurve.

(Bilder der Dane Transhimalaya 2016, zum Durchklicken mit der Maus auf den Bildrand gehen.)

„ Es wird eine Reise sein, die ihr nie vergessen werdet“, habe ich den 27 Teilnehmer zuvor versichert.

Ihr werdet euch irgendwann fragen, warum ihr eigentlich hier seid und ihr werdet erleben, das ihr nirgendswo anders sein wollt. Das Land, die Region, der Himalaya, die Royal Enfields, der Schlamm, die Schönheit der Bergwelt, die Armut, Freundlichkeit und Demut der Menschen, die Einfachheit, die Abgeschiedenheit und die Extreme dieses Trips werden auf euch wirken.

Im Idealfall werdet ihr mit größerer Dankbarkeit und ein wenig mehr Demut nach Europa zurück kommen. Aber AUF JEDEN FALL, werdet ihr diese Motorradreise NIE vergessen.

Während unser demoralisierter Teilnehmer seinen Helm durch das Zimmer kickt, sagt unserer österreichischer Freund Chris zu unserem Guide Mr. Moti in seinem guten Englisch mit angenehm österreichischen schwingenden Akzent. „I would like to thänk you for this fäszinäting trip. I will never forget this däy!“

Auch unser aktuell ob der Strapazen demoralisierter Teilnehmer (siehe oben) wird es nie vergessen.

Er weiss es noch nicht, aber er wird wieder herkommen wollen.

Nach Absurdistan auf das Dach der Welt. Auf eine der herausfordernsten Motorradreisen der Welt.

Die Reise wird in ihm nachwirken. Und obwohl er sich gerade stockgenervt in sein Zimmer eingeschlossen hat, wird er zurück kommen wollen.

 

Ein diesem Tagebuch wollen wir versuchen zu erklären, warum dies so ist.

Verstehen wird man es aber nur, wenn man dabei war.

Unser Freund, Begleiter und Guide, Mr. Buddhi Singh Chand hat seine Faszination der Transhimalaya so zusammen gefasst: „I love the himalayan wind in my face“.

Manchmal ist es ganz leicht.

 

Die DANE TROPHY TRANSHIMALYA. Ein sonntägliches Tagebuch, jeden Sonntag um 18:00 Uhr.

Von Jens Foehl

 

P.S. Die Termine für die DANE TRANSHIMALYA 2017 stehen schon: http://www.motoport.de/dane-trophy/category/transhimalaya-2017/