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Tag 10: Was bleibt?

Es ist der 20. Juli 2016, der 10 Tage unserer DANE TROPHY TRANSHIMALAYA. Wir sind in Manali. Morgen geht es zurück nach Dehli. 

Nicht wie ursprünglich geplant, mit dem Flugzeug von Srinagar, sondern mit dem Bus nach Dehli. 1665km durch die Nacht. Natürlich im Indien-Style. Also mit einem Fahrer, der kurzerhand beschließt, die Strecke in einem Rutsch durch zu fahren und seinen Kollega, der sich unten im Gepäckraum auf seinen Einsatz vorbereitet, einen guten Mann sein zu lassen. 17 Stunden Alleinfahrt mit einem Geschirrhandtuch(!) auf der Schulter, fröhlichen Liedern auf den Lippen und der Hand auf der Hupe. In Indien ist die Vorfahrtsregel nach Größe geordnet. Soll heißen: Das kleinere Fahrzeug sollte zum eigenen Schutz Vorfahrt gewähren.

Für einen indischen Busfahrer ist das ganz praktisch, denn er braucht vor einer nicht einsehbaren Kurve nur auf die Hupe zu hauen und durch ein möglichst fetten Ton signalisieren, dass etwas ganz Großes kommt, und dann kann er den Serpentinen des Himalayas quasi seine Kurvenlinie frei wählen. Unser Fahrer, Hobbysänger und Geschirrhandtuch-Liebhaber hat diese Prinzip verstanden und kurvte ohne Rücksicht auf Verluste durch die Nacht.

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Indien hat uns entspannt gemacht. Wir schlafen einfach trotzdem. Wird schon irgendwie gut gehen. Und es geht auch gut.

Morgens erreichen wir Dehli und der Ersatzfahrer entsteigt fröhlich ausgeschlafen dem Fach für die Kofferablage! Da haben wir Europäer doch mal wieder gelernt, was so alles geht, wenn das Ordnungsamt noch im Aufbau ist.

Am Tag zuvor in Manali machten wir einen kleinen Ausflug auf unseren treuen Freunden, den Royal Enfields.

Wir besuchen ein Bergdorf in der Nähe von Manali. Buddhi, unser Guide, will uns das ursprüngliche, das traditionelle Indien zeigen. Manali ist seit dem Tracking Boom touristisch und international geworden. Hier im Bergdorf zeigt sich uns das alte Indien.

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Man spürt es im Bergdorf und man spürt es sogar auf unserem Weg zurück nach Manali:  Es sind die letzten Kilometer auf unseren Bullets und es legt sich eine Melancholie auf die Truppe. 12 Tage insgesamt haben uns die Erfahrungen des Himalaya zusammen geschweißt. Einen Haufen von 29 Männern.

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Eine DANE TROPHY TRANSHIMALAYA vereint alle positiven und negativen Aspekte einer Motorradreise. Schon bei einer normale Tour in Europa changiert die Laune ja erfahrungsgemäß häufig zwischen „großartig“ (Bergpässe, Sonnenaufgänge, Küstenstrassen…) und „wie ist das denn jetzt gekommen?“ (Dauerregen, Übermüdung, Defekte..).

Im Himalaya allerdings sind die Ausschläge höher: Es gibt einerseits fantastische, fantastische Momente und auf der anderen Seite, wird sich jeder von uns während der Reise bisweilen gefragt haben, was der ganze Scheiß hier denn soll.

Aber sicher ist: Niemand von uns wird diese Reise vergessen.

Und, soviel weiss ich schon aus Erfahrung, wenn dann erst einmal die Strapazen, der Schlamm und die Höhenprobleme vergessen sind, dann wird sich eine seltsame Sehnsucht entwickeln.

Morgen, spätestens Übermorgen sind wir zurück in unseren normalen Leben: Auf uns wartet der deutsche Alltag: Der private und berufliche. Es warten geschäftliche Entscheidungen und Zwänge, Konferenzen, Kindergeburtstag,  gesellschaftliche Verpflichtungen, familiäre und finanzielle Angelegenheiten, Behördengänge, Emails, Telefonate, Berufsalltag, wirtschaftliche Entscheidungen, die unpünkliche Bahn, der verspätete Handwerker, ein widerspenstiger Computer, das Ordnungs- und Finanzamt, die Steuererklärung, der schlecht gelaunte Kollege, die Schwiegermutter, Elternabende, pubertierende Teenager und Latte Machhiato für € 3,90. Es warten unbeantwortete Emails, Whats App Nachrichten, der Terror der Informationsgesellschaft und vieles mehr.

Es wartet auf uns aber auch elektrisches Licht, ein voller Kühlschrank, eine heiße Dusche, die Zentralheizung, ein Sozialstaat, der ADAC, die Müllabfuhr, ein Rechtssystem, ein Schulsystem, der Bäcker, der Friseur, ein warmes Bett, die Geschirrspülmaschine, die Waschmaschine, der Trockner und vieles mehr, das unsere Leben komfortabel macht.

Wir verlassen gerade ein Dorf ohne elektrisches Licht. In dem die Frauen sich am Waschplatz trafen, die Männer den Berg hinab schauten und zwischen ihren Pausen gemeinschaftlich ein Haus bauen. Das Leben ist einfach und entspannt. Wir haben in Indien Strassenarbeiter gesehen, die für 50 Cent am Tag Steine zerkleineren. Und wir sahen Kinder, die auf diesen Strassen lebten.

Was bleibt also, abseits der Erlebnisse einer Motorrad-Reise?

Zunächst einmal bleibt ein großartiges Abenteuer.

Es bleiben Tage, die wir niemals vergessen werden. Großartige Landschaften, eine vielfältige Kultur, es bleiben neue Freundschaften und unauslöschliche Eindrücke.

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Und, falls der europäische Alltag uns trotz aller Vorsätze nicht wieder in seine umfassende Gefangenschaft nimmt, bleibt die Erkenntnis, dass wir zu einer sehr priviligierten Gruppe auf diesem Planeten gehören. Das unsere Sorgen und Nöte, in großen Teilen der Welt keine Sorgen und Nöte wären.

Natürlich hilft der Vergleich mit anderen Teilen der Welt nur bedingt, wenn der Vergleichspunkt die eigene Nachbarschaft bzw. die Position in der eigenen Gesellschaft ist.

Aber Hier und Heute verlassen wir den Himalaya, mit dem Wissen, dass es ein Privileg ist, so leben zu können, wie wir es tun.

Und, nach unseren vielen Kontakten zur indischen Bevölkerung, ihrer Zufriedenheit, Demut und inneren Ruhe, verlassen wir Indien auch mit der Ahnung, dass vieles, was wir für wichtig halten, nicht wirklich wichtig ist.

Sollte uns dieses Gefühl und diese Erkenntnis in unserem Alltag wieder sukzessive verloren gehen, habe ich für alle Teilnehmer der TRANSHIMALAYA einen kleinen Tipp:

Vielleicht einfach mal an unseren Guide Mr. Moti denken, den alten Motorradnomaden.

Der mir eines Nachts mit Blick auf den kommenden Tag sagte: Ich ärgere mich nicht, wenn es regnet. Denn wenn ich mich ärgere, regnet es trotzdem.

Er sitzt jetzt wahrscheinlich auf seiner Bullett, mit der er verwachsen zu sein scheint und fährt irgendeinen Pass hoch. Garantiert wird er gut gelaunt und freundlich wie immer sein.

Er ist dankbar, demütig, aufgeschlossen, ohne Neid, nimmt den Tag und das Leben so wie es kommt und freut sich über das was er hat. Und er hat viel weniger als wir.

Er liebt die Natur und liebt das, was er macht.

Und ab und zu setzt er sich entspannt irgendwo hin und raucht. Was auch immer. 😉

 

Indien ist ein armes Land mit harten Lebensumständen und wir wollen uns nicht einbilden, dass wir bei einem jährlichen Besuch beurteilen können, wie es den Menschen geht.

Im Himalaya kann man aber lernen, dass wir soviel mehr haben, als die Menschen hier. Man wird an jeder Ecke darauf hingewiesen, dass dies nicht selbstverständlich ist, wir es aber häufig für selbstverständlich nehmen.

Man kann also lernen, dass unser Reichtum ein Privileg ist. Es ist nicht selbstverständlich etwas zu Essen zu haben, fließendes Wasser und elektrischen Strom.

Wir sollten Demut haben vor unserem Leben und unseren Lebensumständen. Zumindest manchmal dankbar sein und alles, inkusive uns selbst, nicht so wichtig nehmen.

Es braucht nur wenig. Und vieles, was wir für wichtig halten, ist es nicht. Dafür ist anderes, was wir vernachlässigen, ist wichtig.

Sollte es uns gelingen, diese Erkenntnis und dieses Gefühl mit zu nehmen, und wenn auch nur für ein paar Wochen oder Monate, dann würde schon sehr viel bleiben von dieser Reise auf das Dach der Welt.

Wenn man also etwas mitnehmen will von dieser Reise, außer den unglaublichen Bildern, den neuen Freundschaften, den Erlebnissen und das Abenteuer, dann vielleicht die Erkenntnis, das Weniger manchmal mehr ist.

Besonders wenn es uns gelingt, auch das Wenige nicht für selbstverständlich zu halten.

Vielleicht kann das ein bißchen bleiben am Ende einer Reise?

Und das Gute ist: Sollte sich diese Erkenntnis verflüchtigen, und das tut sie in der Regel, dann fahre ich wieder hin. 😉

Die nächste DANE TROPHY TRANSHIMALAYA ist im Juli 2017!

Will jemand mit?

 

Bis dahin

Jens Foehl

 

Bilder DANE TROPHY

 

 

 

 

 

 

 

 

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