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Tag 7: YAKS!

Fünfmal durfte ich die DANE TRANSHIMALAYA mitmachen. Und ich hatte schon viele Szenen, deren Ursprünglichkeit und Intensität mich bis ins Herz trafen. Aber niemals wurde ich von einer so überrascht, wie von diesem Auftritt der YAKS.

Wie ein kleines Kind renne ich der Herde hinterher. Völlig vergessend, dass ich inmitten einer Herde bin und ein einzelnes Exemplar bis zu 580 Kilogramm auf die Waage bringen kann. Für den YAK-Hirten muss es ein seltsames Bild sein. Der komische Europäer in seinen komischen Klamotten hat ein kleines Ding (sein Handy) in der Hand und verfolgt in seinen schweren Stiefeln seine Herde im Laufschritt seit mehreren hundert Metern. In 4000m Höhe!

Für mich, dem seltsamen Europäer, war es ein Erlebnis von extremer Intensität und lange nicht mehr erlebter Überraschung. Ich hatte so etwas noch nie gesehen. Und in einem nunmehr 50jährigen Leben gibt es kaum mehr etwas, das man in unserem Medienzeitalter noch nie gesehen hat und von dem man völlig überrascht wird.

Ich war circa 7 Jahre alt, als mich mein Vater als Zuschauer mitnahm zu meinem ersten Fußballspiel unter Flutlicht in einem Stadion. Ich kann mich auch 43 Jahre später noch daran erinnern, wie ich, seltsamerweise in Hannover, als kleiner Steppke von außen die Stadiontreppe hoch ging. Angezogen von einem rumorenden Geräusch und einem gleißenden Licht. Als ich dann den ersten Blick in das hell ausgeleuchtet Stadion machen durfte, war ich ob des satten Grüns des Rasens, der Größe des Stadions, der Wuchtigkeit des Fluchtlichts und des Anblicks der Zehntausenden Menschen für endlos lange Momente wirklich GEFLASHT.

Ein Begriff den es damals noch gar nicht gab, der es aber ziemlich gut trifft.

Wer seinem Kind ein einmaliges Erlebnis bescheren möchte und wer es in allerhöchster, überraschter Intensität sehen möchte, der nehme es zum ALLERERSTEN MAL mit in ein vom Flutlicht ausgeleuchtetes Stadion.

Und wer dann sein Kind genau beobachtet, der kann ungefähr nachvollziehen, wie GEFLASHT ich vor einigen Minuten war beim surrealen Anblick dieser Dutzenden von YAKS.

Keine Kühe, keine Schweine, keine Schafe: YAKS

GEFLASHT und atemlos wie ein kleines, grauhaariges Kind im Alter von 50 Jahren:

Stecke Tag 7

Wir fahren durch das SPITI Valley auf dem Weg von KAZA nach JISPA auf dem KUNZUM Pass bis auf 4590m Höhe. Ich umfahre eine einfache, harmlose Kurve irgendwo in den Weiten des Himalaya. Ich stoppe, weil ich verwundert bin über die Staubfahne, die sich ohne ersichtlichen Grund von der Schlucht kommend über die Straße zieht. Untermalt wird diese Szene von einem leichten grummelnden Geräusch, das ich nicht zuordnen kann und das in seiner Bedrohlichkeit in einem seltsamen Kontrast steht zu dem nach einem Hirten aussehenden Mann in circa 15 Meter Entfernung, der ungefähr auf Höhe von Kameramann Kris läuft. Ich bleibe stehen. Ohne wirklich ersichtlichen Grund, aber wahrscheinlich weil auch Kris stehen geblieben ist und weil ich die Staubwolke, den Mann und das Geräusch nicht einordnen kann. Ich zücke meine Handykamera und genau in diesem Moment zieht das Geräusch über die Straßenkante.

ES SIND YAKS!. VERDAMMTE SCHEIßE, ES IST EINE GROßARTIGE HERDE VON YAKS.

5m vor mir erreichen sie in eine Staubwolke gehüllt die Straße und ich bin bis ins Mark berührt von diesem Anblick. Berührt wie der kleine Junge im Stadion.

Noch nie zuvor habe ich so etwas gesehen und nicht ernsthaft hätte ich gedacht, dass mich irgendein Anblick noch mal mit einer solchen Intensität erwischen würde können.

Die Intensität dieser Szene ist wieder einmal nicht in einem Film einzufangen, auch wenn ich es auf einem Film habe (siehe oben).

Es sind 30 Grad, wir befinden uns im Himalaya auf 4500m, es war bisher eine großartige Tour, eine großartige Truppe und ein großartiger Tag und jetzt fühle ich eine Überraschung wie ein 7jähriger.

Ich renne der Herde instinktiv hinterher. Wie ein Kind.

Allein diese Szene, diese eine Minute wären die Strapazen jeder Himalayatour wert gewesen. Und es geht anscheinend nicht nur mir so.

Die YAK Herde zieht an uns vorbei und lässt eine Gruppe von Männern erstaunt und sprachlos zurück. Wir schmeißen unsere Motorräder wieder an und man spürt an dem lauten Schweigen der gesamten Gruppe, dass unter seinem Helm jeder mit den gerade gemachten Eindrücken beschäftigt ist.

Denn in dieser Szene steckten die ganzen Faszinationen einer Himalaya Reise: Die Ursprünglichkeit, Mächtigkeit, Schönheit und Wuchtigkeit der Natur. Das Fremde und Überraschende sowie die Eindringlichkeit und Herausforderung. Das gemeinsame Erlebens und, nicht zuletzt, auch die Erkenntnis, dass die Natur und die Welt uns noch überraschen kann.

Es war ein anstrengender Tag. Die Etappe von KAZA nach JISPA gehört zu den anspruchsvollsten der gesamten Tour. Es war deutlich kühler als in den vergangenen Tagen. Es regnete erstmals wieder. Die Strecke war herausfordernd, schlammig und nass. Die Truppe hat sich weit auseinander gezogen und ich bildete zusammen mit Tom und Harald eine 3er-Truppe in der Truppe. Wir fuhren über viele, viele im schnellen Gleichklang.

Es war einer der großartigsten Motorradtage meines Lebens.

Nach circa 50km fing es an zu regnen und normalerweise hätten wir stoppen müssen, um unsere Sommerbekleidung durch regenfeste Sachen zu ersetzen. Wir waren aber im Renn-Modus. Über 3 Stunden flogen wir, umgeben von 6000m hohen Bergen, über die schlammige Piste, entlang des Abgrunds am Straßenrand und durch eine Vielzahl von Wasserdurchfahrten.

Alle Drei im stillen Einverständnis ein wenig zu schnell, aber genau deswegen auch hoch konzentriert und voll und ganz bei und mitten in der Sache.

Zumindest ich war bisweilen an meiner fahrerischen Grenze, aber absolut nicht gewillt den Hinterreifen der anderen abreißen zu lassen.

Ja, das ist nicht gerade vernünftig und ich hatte gerade erst wenige Tage zuvor ein Plädoyer über Eigenverantwortung und vor allen Dingen Gruppenverantwortung gehalten. Denn wir sind hier Mitten im Nirgendwo unterwegs und wenn etwas passieren sollte, dann habe nicht nur ich ein Problem. Es war mir aber egal und den anderen Beiden anscheinend auch, denn niemand von uns ging vom Gas während der mehrstündigen Fahrt.

Erst als Harald auf einer mit Stahlplatten und Löchern ausgelegten Militärbrücke das ganze Glück in Anspruch genommen hatte, was man für eine solche Aktion benötigt, entschlossen wir uns es gut sein zu lassen.

Schon wenige Kilometer später befand sich die JURTE in der wir rasten wollten und in der es die beste Nudelsuppe unseres Lebens geben sollte. Harald stand der Schreck noch ins Gesicht geschrieben, denn im Himalaya weit entfernt von einem Mindestmaß an Zivilisation bei circa Tempo 60 auf einer rutschigen Militärbrücke über einem reißenden Fluss zu stürzen , ist nicht zu unbedingt empfehlen. Dem Schrecken in seinem Gesicht unterlegt war aber zugleich auch ein erkennbares Lächeln, dass auch auf den Gesichtern von Tom und mir zu erkennen war. Wir haben uns die letzten drei Stunden leicht pubertär benommen.

Aber manchmal muss man die ewige Vernunft auch mal beiseite lassen und wo geht das besser als im Himalaya, weit weg von all diesen Erwachsenen-Sachen.

Nach einer langen Pause in der Jurte legte die Truppe ihre Reise weiter fort nach JISPA. Die anspruchsvolle Strecke hat ihren Tribut gefordert: ein verlorener Auspuff, eine defekte Batterie, zwei Plattfüße, ein verlorenes Schutzblech, ein gerissener Gasgriff und eine defekte Zündung. Darüberhinaus ein lädierter Meniskus und ein lädiertes Auge. Am Ende des Tages wird einer unserer Teilnehmer für den Rest der Tour nicht mehr aufs Motorrad steigen wollen. Nun aber stehen uns nur noch 40km feinster Asphalt bevor und außer einem hyperaggressiven Busfahrer sind die größten Gefahren überstanden und Anstrengungen hinter uns.

Aufgrund der Sperrung des Kaschmirtals waren wir außerhalb unseres Routenplans und wieder mussten wir bei der Wahl der Unterkunft improvisieren. Die Zimmer waren spartanisch wie mein erstes Kinderzimmer und auch daher kam es, dass ich kurz vor dem Einschlafen in einem miesen Raum am Ende der Welt dachte:

„Verdammte Scheiße, es waren YAKS. Und es waren ganz schön viele und ganz schön große!“

Heute war ich also einen Tag lang wieder 7 Jahre alt und habe mich gefühlt, als würde ich mit meinem BONANZA Rad mit meinen Kumpels viel zu schnell und zum ersten Mal durch einen dunklen Wald fahren.

Heute war ich wieder Sieben.

Und im Gegensatz zu damals im Stadion, weiß ich dieses Gefühl WIRKLICH zu schätzen,.

Denn ich weiß, es wird so schnell nicht wieder kommen. Vielleicht sogar nie.

 

Also Danke für diesen Tag! Auch an Harald & Tom.

Es waren YAKS!:-)

Der Tag 7 im Video: