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Tag 10: Vom Paradies auf das Dach der Welt. Der höchste aller Pässe!

Aaaaah. Auch wenn es eher unrealistisch ist: Stellt euch mal vor..

… ihr seid nachts leicht angetrunken nach Hause gekommen, habt den Schlüssel vergessen und mußtet dann 3 Tage und Nächte auf dem Rasen im Garten schlafen. Ohne Zelt. Dann endlich kommt die Haushälterin nach Hause, läßt euch Badewasser ein, bezieht das Bett und schmiert euch eure leckeren Lieblings-Brote.

So ungefähr war unsere Nacht in Leh.

Paradiesisch.<!–more–>

Und zur Krönung des Ganzen geht es heute noch auf den höchsten Paß der Welt, das zentrale Ziel unserer Reise. Großes Kino, großer Tag.

Leh ist  mit 15000 Einwohnern die Hauptstadt des LADAKH. Vor noch nicht mal 25 Jahren waren die Landesteile LADAKH, ZANSKAR und KASCHMIR für Ausländer absolut tabu. Doch so langsam werden diese Gebiete auch touristisch erschlossen und aus ihrer Jahrzehnte langen Isolation befreit. Bislang waren die Touristenströme nach Leh und in den Ladakh sehr überschaubar. Doch langsam aber sicher haben Touristen aus aller Welt, die Inder selbst und sehr viele Arbeiter Leh als Touristenort und Arbeitsstelle entdeckt. Leh ist daher international beeinflußt und wird frequentiert von vielen Trecking- und Backpacker-Abenteurern aus der ganzen Welt. Nach und nach haben sich Hotels, Guesthouses, Cafes und auch gute Restaurants etabliert.

Von Leh (<span style=“border-width: 0px; padding: 0px; margin: 0px;“>3500 <abbr title=“Höhe über dem Meeresspiegel“>m</abbr></span> Meereshöhe) windet sich die größtenteils asphaltierte Straße 39 Kilometer lang zum Kardung-Pass, der das Industal mit dem vom Shyok durchflossenen Nubra Tal verbindet. Wegen des Grenzkonflikts Indiens mit Pakistan und China (strategisch wichtiger Punkt ist der Siachen-Gletscher im Karakorum) wird die Straße fast ganzjährig vor allem für Militärfahrzeuge geräumt und offengehalten. Auf halber Strecke passiert man einen Kontrollpunkt der indischen Armee (South Pullu), wo dem Reisenden die Einreisepapiere abverlangt werden. (Den Permit bzw. die Reisegenehmigung für sieben Tage erhält man für ca. 100 Rupien über diverse Reisebüros in Leh.) Weiter führt die Straße, die oft auch im Sommer durch Schneefälle und wegen der schlechten Bereifung der Fahrzeuge schwer passierbar ist, bis hinauf zur Passhöhe, von wo aus man den ersten Blick auf das Karakorum-Gebirge hat.

Die Eroberung des Kadung La ist der plakative Höhepunkt unserer DANE TROPHY TRANSHIMALYA 2014. Denn immerhin kann man späterhin verkünden, man war mit dem Motorrad auf dem höchsten befahrbaren Paß der Welt. Ich überlasse daher an dieser Stelle gerne die Beschreibung der Auffahrt und seiner Eindrücke einem der Teilnehmer der diesjährigen Tour: Eberhard „Ebbse“ Hermann, Motorradjournalist und Herausgeber der Zeitschrift WHEELIES:

„Sichtlich erholt und gut gelaunt verlassen wir nach 2 Tagen unser tolles Hotel. Weiche Matratzen, im Gegensatz zu mancher Fakirmatratze in Form einer gefühlten überzogenen Zimmertüre, geräumige Dusche mit warmen Wasser, im Gegensatz zu „Eimerdusche“ mit fließend Kaltwasser und Toilette ohne abgezählte Klopapierblätter und Messbecherspülung hatten sicht- und riechbare positive Spuren an so manchen Stellen unserer geschundenen Körper hinterlassen. Die Krankenhausbesucher waren auch wieder an Bord. Die Innenansicht des Krankenhauses in Leh entwickelte ungeahnte Selbstheilungskräfte und so starteten wir zur Erstürmung des Khardung La, welcher eines meiner ganz persönlichen Ziele und mein ganz persönlicher Höhepunkt und Prüfstein im Sinne „Geht nicht gibt’s nicht“, war!!

„50 km bis zur Passhöhe“ stand auf dem riesigen und einzigen Wegweiser am Stadtende von Leh. Einige Kilometer legten wir auf den nun schon gewohnten unbefestigten Pistenoberflächen aller Art zurück. Viele Straßenarbeiter und besonders Arbeiterinnen sorgen in den wenigen schneefreien Monaten dafür, dass der Pass wenigstens einigermaßen an besonders feuchten und abrutschgefährdeten Passagen befahrbar bleibt. Ganze Kolonnen Steineklopfer schlagen mit ihren Hämmern, mehr besitzen die wirklich nicht, große Granitsteine zu kleineren Schottersteinen und andere wiederum die kleinen zu noch kleineren Steinen, um diese dann per Hand wieder in besonders schlammige und weiche Stellen der Piste einzubauen. Frauen, Männer und, so weh es meinem Herzen auch getan hat, Kinder, die oftmals mit dem kleinen Geschwisterchen auf dem Rücken ihrem Vater oder Mutter geholfen haben um ihr tägliches Essen zu verdienen. Ich hätte heulen können über das, was ich gesehen habe und über das, worüber wir übersatten Europäer uns unterhalten, und was uns angeblich noch alles fehlt!!! Auch oder ganz besonders diese Eindrücke und Anblicke werde ich mein restliches Leben nie mehr vergessen! Plötzlich endet, wie abgeschnitten, die schlüpfrige Piste und eine top geteerte, zwar sehr schmale und sehr kurvige, natürlich ohne jegliche Leitplanken oder anderweitige Absturz bewahrende Hilfsmittel tolle Straße, lässt auf den nächsten 25 km richtig Fahrspaß aufkommen. Wir passieren einen letzten militärischen Checkpoint ca. 15 km vor der Gipfelhöhe und da endet auch die tolle Fahrstraße und geht wieder in eine schlüpfrige Piste über. Das Militär versucht hier, um seine großen LKW Kolonnen und die anderen LKWs besser und schneller auf und über die enge Passhöhe zu bekommen, die Straße mehr oder weniger erfolgreich zu verbreitern. Hunderte LKWs drücken tiefe Spuren in den oftmals aufgeweichten Untergrund. Nicht selten kommt es vor, dass der gewaltige, nasse Berghang einfach die Straße verschüttet. Es sind zwar immer große Raupen in Bereitschaft, aber auch die können nicht alles beseitigen. So schinden sich die LKWS und wir uns mit den Motorrädern oftmals im Schritttempo durch den Schlamm und den Schotter im vollen Abgasstrom der unter Volllast vor uns fahrenden LKWs gen Passhöhe. Blindes überholen auf der Bergseite durch die schwarze Russwolke ist oftmals die einzige Chance um nicht in der Abgaswolke zu ersticken. 2 km vor der Gipfelhöhe stauen sich die LKWs zu einer riesigen Schlange, denn es ist am Gipfel so eng, dass sich der Verkehr nur wirklich zentimeterweise an den Fahrzeugen an sich, und am Abgrund entlang aneinander vorbei zwängen. Eines ist hier wohl unbestritten: am Khardung La ist zumindest der höchste LKW Stau der Erde.

Wir haben es geschafft!! Über Felsen, durch Schlamm und Geröll haben wir uns bis auf die Passhöhe durchgefräst!!

Yeahhh wir stehen auf dem Khardung La, auf 5600 m Höhe.

Wir haben eines unserer Ziele erreicht und darauf können alle schon etwas stolz sein!! Wir benötigen keines der auf der Passhöhe bereitstehenden Sauerstoffzelte, obwohl nicht jeder mit der Höhe problemlos zurecht kam. Reinhold „Jointi“ steckte sich auch auf dieser Höhe seine gewohnte Zigarette an, während „Kawa“ unser Racer über massive Seh- und Magenprobleme klagte, was mich sofort veranlasste mit ihm schnellstmöglich die Höhe zu verlassen. Nach einigen Hundert Höhenmetern gen Tal und einer ausgiebigen Magenentleerung unterwegs, schaltete auch „Kawas“ Körper wieder in den Normalmodus und zur Belohnung seiner erlittenen Strapazen gab’s beim Abendessen in Leh schon wieder das nun schon gewohnte Kingfisher Bier.

Von nun an ging’s bergab, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir hatten den höchsten Pass unserer Dane Trans Himalaya Tour bezwungen! Alles was jetzt noch an Pässen auf dem Weg entlang des fruchtbaren Indus Tales über Lamayuru und Kargil nach Srinagar kam, war einiges niedriger an Höhenmetern, aber dafür einiges fahrtechnisch schwieriger und anspruchsvoller als manches bisherige!

Ich bin viel auf der Welt mit dem Motorrad unterwegs. Atemberaubender, härter und höher wird es nicht mehr werden. Eine Tour des Lebens!“